Pressemitteilung vom Augsburger Klimacamp am 20.10.2022

Klimacamp sieht Rüge der ECRI nach Verurteilung von Ingo Blechschmidt bestätigt

Deutschland geht Vorwürfen des Racial Profilings nicht ausreichend nach. Dies befand der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem jüngst veröffentlichten Urteil [1]. Zuvor hatte auch die Anti-Rassismus-Kommission des Europarates (ECRI) Deutschland wegen Untätigkeit gegen Racial Profiling durch die Polizei gerügt, speziell in Augsburg aber Fortschritte prognostiziert [1, letzter Absatz]. Diese Hoffnung wurde enttäuscht, meint Charlotte Lauter (20) vom Augsburger Klimacamp in Zusammenhang mit der Verurteilung von Aktivist Ingo Blechschmidt (34).

„Mit Racial Profiling wird die Methode bezeichnet, das physische Erscheinungsbild wie die Hautfarbe oder Gesichtszüge eines Menschen als Entscheidungsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen wie Personenkontrollen, Ermittlungen und Überwachungen heranzuziehen“, fasst der Bayerische Rundfunk in seiner Berichterstattung über das Urteil zusammen. Einen solchen Fall von Racial Profiling meinten Aktivist*innen im Klimacamp am 26. Juni 2021 erkannt zu haben, als die Polizei ausschließlich schwarze Menschen auf dem Rathausplatz kontrollierte [2, erster Absatz]. Nachdem die Polizei auf Nachfrage keine Gründe für ihre Kontrolle angab und widersprüchlicherweise behauptete, dass alle Menschen auf dem Rathausplatz kontrolliert werden würden, äußerte Blechschmidt die Vermutung, dass es sich bei der Kontrolle um Racial Profiling handeln könne, über Lautsprecher und rief Passant*innen auf, die Situation zu dokumentieren.

Wie AZ und Augsburger Stadtzeitung berichteten [2,3], wurde Blechschmidt für diese Durchsage am 13. Juli 2022 wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt. Solche Vermutungen dürfe man nicht laut aussprechen, erklärte die zuständige Richterin ihr Urteil [2, vorletzter Absatz]; allenfalls könne man in einer solchen Situation rechtliche Schritte einleiten, führte die Staatsanwältin an [2, vorletzter Absatz].

Mit diesem Urteil rechneten die Klimacamper*innen nicht. Zumal die Polizei bei ihren Kontrollen am Rathausplatz, bei dem sie ausschließlich Schwarze kontrollierte, später als Rechtfertigung angab, dass sie nach einem schwarzen Tatverdächtigen bei der „Krawallnacht“ fahnde [2, erster Absatz; sowie Gespräch der polizeilichen Einsatzleitung mit Blechschmidt im Nachgang der Durchsage] – als sähe die Polizei bei ihren Ermittlungen nichts anderes als die Hautfarbe. Dabei gab es von den Tatverdächtigen der „Krawallnacht“ gestochen scharfe Bilder [7]. Daher könne man eine bessere Personenbeschreibung als „er ist schwarz“ erwarten.

„In einer akuten Situation hilft auch der Verweis auf rechtliche Schritte wenig“, erklärt Lauter, denn einerseits könne dadurch nicht die dringend benötigte Öffentlichkeit hergestellt werden, und andererseits würden Ermittlungen gegen Polizeikräfte oft nicht mit dem nötigen Verantwortungsbewusstsein verfolgt werden. Diese Auffassung sieht Lauter in dem EuGH-Urteil bestätigt – und verweist als konkretes Beispiel auf die verschleppten Ermittlungen gegen die Beamten der Abteilung „Staatsschutz“ der Augsburger Polizei [4,5,6] im „Pimmelgate Süd“-Skandal. Stattdessen ernte man in solchen Fällen eher eine Gegenanzeige, so Lauter; eine solche traf auch Alexander Mai, den Betroffenen dieses Skandals [4,6]. Dabei wünschten sich viele Polizist*innen in Fällen wie diesen Zivilcourage aus der Bevölkerung, damit auch für den Job weniger geeignete Kolleg*innen gewisse Standards erfüllen.

„Solange man wegen übler Nachrede verurteilt wird, wenn man Vermutungen über Racial Profiling öffentlich anspricht, hat Augsburg noch einen langen Weg vor sich“, resümiert Lauter. Lauter ist dabei wichtig, dass in der Gerichtsverhandlung gegen Blechschmidt von keiner Seite angezweifelt wurde, dass Blechschmidt seine Vermutung, dass es sich bei der Kontrolle um Racial Profiling handele, deutlich als Vermutung gekennzeichnet war. „Die Hoffnung, die die Anti-Rassismus-Kommission des Europarates in Augsburg legte, aufgrund einer Amtsstelle gegen Diskriminierung, sehen wir bitter enttäuscht.“

[1] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/racial-profiling-kritik-an-entscheidungen-deutscher-gerichte,TKcXaPR
[2] https://www.staz.de/region/augsburg/blaulicht/fuehrender-augsburger-klimaaktivist-zahlt-strafe-wegen-uebler-nachrede-id241244.html
[3] https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/prozess-in-augsburg-protest-gegen-polizei-kontrolle-klimaaktivist-akzeptiert-geldstrafe-id63431366.html
[4] https://www.klimacamp-augsburg.de/pressemitteilungen/2022-08-02-so-reagiert-die-polizei-auf-pimmelgate-sued/
[5] https://www.klimacamp-augsburg.de/pressemitteilungen/2022-10-06-polizei-kann-widersprueche-nicht-aufloesen/
[6] https://netzpolitik.org/2022/pimmelgate-sued-augsburger-polizei-ueberzieht-klimaaktivisten-mit-weiterem-verfahren/
[7] https://www.br.de/nachrichten/bayern/augsburger-krawallnacht-zwei-jahre-bewaehrung-fuer-angeklagten,SpCWr1A